
Zum Inhalt
„Connors Gesicht wurde ganz heiß. Er wusste, dass er kurz davorstand, in Tränen auszubrechen, aber das durfte auf keinen Fall passieren. Das wäre das Ende von allem. Er dachte erneut an die Autofahrt um Barrys Kreisel. Ein Augenblick, ein zufälliger Augenblick, nur ein Reifen, der im falschen Winkel auf den Bordstein gefahren war. Wenn alles nur eine Winzigkeit anders gekommen wäre, säße er jetzt nicht hier auf der Fahrt zu einer Baustelle neben diesen Fremden, die er nicht kennenlernen wollte. Aber es gab keinen Weg zurück, er konnte nicht ändern, was passiert war, und daher war sein ganzes Leben zerstört.“ (Seite 50)
Ein Autounfall in einer Kleinstadt im Irland der 80er Jahre. Drei junge Menschen sterben, darunter ein Paar, das am nächsten Tag heiraten wollte, und eine Brautjungfer. Die Schwester der Brautjungfer überlebt schwer verletzt. Der Arztsohn Martin und der Fahrer des Wagens, Connor, bleiben nahezu unverletzt. Die Kleinstadt verfällt in Trauer, die Familien stehen unter Schock. Connor wird nach England geschickt. Das Leben für alle geht weiter, auch für ihn. Zwanzig Jahre später kommt es zu einem Treffen in einer Bar in New York, welches das Leben aller Beteiligten verändern und alles, was bisher geschah, noch einmal neu aufrühren wird.
Bibliografische Angaben
Graham Norton: Heimweh
Übersetzt von: Silke Jellinghaus und Katharina Neumann
Kindler Verlag
Hardcover
384 Seiten
ISBN: 9783463000244
Preis: 22,00€
Meine Meinung
Es ist immer wieder einfach unglaublich, wie es manche Autor*Innen schaffen, dass wir für kurze Zeit vollkommen in das Leben eines anderen Menschen eintauchen. Für kurze Zeit nur noch sehen, was diese Person sieht. Die Menschen kennen, die sie kennt. Das fühlen, was diese Person fühl. Und dort zuhause sind, wo diese Person zuhause ist. Was aber, wenn sie sich gar nicht sicher ist, wo sie zuhause ist? Wenn sie einmal ein Zuhause hatte, jedoch gezwungen war, dieses zu verlassen und sich seitdem nach nichts mehr sehnt, als endlich irgendwo anzukommen? Dann ist man für kurze Zeit auch so verloren, wie diese Person.
Graham Norton hat genau das mit seinem neuen Roman Heimweh aus dem Kinder Verlag geschafft und mich damit komplett umgehauen.
Er besitzt ein unglaubliches Talent für seine Figuren – man fühlt den Schmerz jedes Einzelnen, sowohl der trauernden Familien als auch Connors, der wie alle anderen scheinbar völlig betäubt vom Geschehen, sein Leben weiterleben muss. Man hofft, man wünscht, man wartet auf Besserung. Ich habe bei nahezu jeder Seite mitgefiebert, mitgelacht, mitgeweint. Ich muss gestehen, dass ich zuvor noch nichts von Graham Norton gelesen hatte. Und nun, kann ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.
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