„Ich dachte immer, dass ich den wackeligen Hausfrieden für uns im Lot halten könnte, solange ich perfekt bin. Weshalb ich geschaut hab‘, dass ich nicht nur Einsen mit Sternchen bekam, sondern auch jedes Jahr Klassensprecherin wurde, zwei Instrumente spielte, und Pokale vom Eiskunstlaufen sowie einen Waschbrettbauch vorweisen konnte. […] Als ich vierzehn war, artete trotzdem alles in rohe Gewalt aus. Papa hat mich durchs Haus gejagt und gedroht, mich umzubringen. Einen Grund gab es nicht, glaube ich. Wobei, doch: Manchmal habe ich gelacht.“ (S. 23)
Zum Inhalt:
Juli und ihre drei Geschwister wachsen wohlbehütet in einer Kleinstadt nahe Stuttgart auf. Ihre Eltern, beide erfolgreiche Anwälte, sind bei ihren Nachbarn hoch angesehen und führen nach außen hin die perfekte Vorzeigefamilie. Doch hinter verschlossenen Türen herrscht das brutale Grauen in Form des Familienvaters Kurt. Physische und psychische Gewaltausbrüche, meist willkürlich und wegen Kleinigkeiten, stehen an der Tagesordnung. Von Juli und ihren Geschwistern fordert er gnadenlose Perfektion und Höchstleistungen. Die Folgen davon begleiten sie ihr restliches Leben, denn ist ein Entkommen überhaupt noch möglich, wenn die Verletzungen der Kindheit so tief gehen und die Scham einen selbst zum Schweigen zwingt?
Bibliografische Angaben:
Claudia Schumacher: Liebe ist gewaltig
dtv Verlag
Gebundene Ausgabe
376 Seiten
ISBN: 9783423290159
Preis: 22,00€
Meine Meinung:
Was treibt einen Menschen dazu, andere psychisch und physisch zu misshandeln? Und was geht vor allem in den Personen vor, die dieser Gewalt jahrelang ausgesetzt sind?
Sprachlich intensiv, hart wie auch eindringlich schildert Claudia Schuhmacher in ihrem Debütroman „Liebe ist gewaltig“ das Drama hinter der Fassade einer geschätzten Vorzeigefamilie. Ihre Worte wählt sie dabei genauso wuchtig wie die Schläge und Demütigungen, die Juli, ihre Geschwister und ihre Mutter vom tyrannischen Vater beinahe täglich abbekommen. Was passagenweise fast schon einem Psychothriller gleicht, wird im Verlauf zu einer Studie komplexer innerer Prozesse, die in Opfer wie auch Täter vor sich gehen. Dabei wird immer wieder deutlich, dass diese wie auch die Erinnerungen auf die Geschehnisse variieren, ebenso wie die Versuche den Folgen der Gewalt zu entkommen.
Erschütternd direkt und herausfordernd (sprach-)gewaltig konnte ich mich der Sogwirkung dieser Geschichte nicht entziehen! Ein unglaublicher Roman, der sprachlich wie inhaltlich unter die Haut geht und zusätzlich immer wieder durch an Komik grenzende Aussagen der Protagonistin besticht – was aufgrund der Thematik allein schon unglaublich beeindruckend ist.
loving.literature 
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