Karin Smirnoff: Mein Bruder

Zum Inhalt

„Komm schon sagte er. Komm schon du kleines Stück Scheiße. Ab dem Tag an dem du mich verprügeln kannst werde ich dir gehorchen. Bis dahin bestimme ich.“ (S. 147)

Jana, die Protagonistin aus deren Sicht die Geschichte geschildert ist, kehrt zurück nach Smalånger, in das Dorf und auf den Hof ihrer Kindheit, irgendwo im schwedischen Hinterland. Sie kommt zurück zu ihrem Zwillingsbruder Bror, mit dem sie dort aufwuchs und der immer noch dort lebt. Vieles ist fremd, vieles hat sich verändert. Ihr Bruder ist dem Alkohol verfallen und trauert einer Liebe hinterher. Sie selbst hat das Dorf vor langer Zeit verlassen. Weshalb, erfährt man zunächst nicht. Ihr Vater schon lange gestorben, ihre Mutter ist nach einem Schlaganfall im Pflegeheim. Als sie bei ihrer Ankunft während eines Schneesturms die falsche Abzweigung nimmt, trifft sie auf den Nachbarn John, den sie zunächst nicht zu kennen scheint doch der offenbar sie kennt und von dem sie sich unerklärlich angezogen fühlt. Nachdem sie ihren Bruder in einer Entzugsklinik untergebracht hat beginnt sie bei einem mobilen Pflegedienst anzufangen. Immer wieder trifft sie dort auf alte Bekannte und nach und nach kommen in Rückblenden die grausamen Geschehnisse ihrer eigenen Vergangenheit ans Licht. Immer wieder verschwimmen die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Wahrheit und Lüge. Immer neue Wendungen kommen zu Tage. Wem kann sie vertrauen und wer belügt sie? Denn auch John hat Geheimnisse und scheint vieles zu verbergen. Und immer mehr wird klar, dass Jana‘s und John’s Leben schon immer miteinander verbunden waren.

Bibliografische Angaben

Karin Smirnoff: Mein Bruder
Übersetzt von Ursel Allenstein

Hanser Berlin Verlag

Gebunden

336 Seiten

ISBN: 9783446269422

Preis: 24,00€

Meine Meinung

Ein Buch, das durch und durch unter die Haut geht. Eine Geschichte, mit einem unwiderstehlichen Sog, der die Lesenden immer weiter in seine Tiefe zieht. Es ist absolut keine leichte Lektüre, also nichts für einen lauen Sommerabend. Vielmehr für einen regnerischen Tag, eingemummelt unter der Decke. Es geht um Fortgang und Wiederkehr, Verlust und Gewinn, Einsamkeit und Nähe. Aber auch hauptsächlich um Gewalt, Hilflosigkeit und Grausamkeit. Je tiefer man beim Lesen in den Abgrund der Geschichte gezogen wird, desto mehr legen sich immer mehr die einzelnen Schichten der traumatischen Erlebnisse der Vergangenheit frei. Durch die Auslassung jedweder Zeichen der wörtlichen Rede oder Kommas schafft es Karin Smirnoff, die Lesenden noch näher an die Gefühle und Gedanken der einzelnen Figuren heranzuziehen. Durch die nüchterne Schilderung der Protagonistin werden die karge Landschaft, die Kälte und die Rauheit des Lebens in ihren vollen Zügen während des Lesens am eigenen Leib spürbar. Intensiv und stellenweise überfordernd, grausam und definitiv nichts für schwache Nerven. Doch gerade diese Nüchternheit der Schilderung führt dazu, dass die Geschichte nicht übermäßig dramatisiert und konstruiert wirkt, sondern ehrlich und tief bewegend.

Absolut lesenwert!

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